Ein Schiff im Look von One Piece
Foto: Nino Nicodemo

Auf großer Fahrt durch das Meer der Spiele und Menschenmassen

Ein paar Schritte und schon geht das Getümmel los. Für unerfahrene Besucher*innen bietet sich ein ungewöhnliches Bild: Menschen mit bunten Perücken, aufwendig konzipierten Kostümen oder Gaming-Merch rennen voller Elan in alle möglichen Richtungen. Eindrücke eines gamescom-Neulings.

Musik schallt von überall auf die Besuchenden ein. Wer sich auf einen Song fokussiert, erkennt die Anfangstöne aus dem Refrain „Come as you are“ von Nirvana. Ein passendes Motto für die gamescom. Denn in den letzten Jahren hat sich in Sachen Diversität einiges getan. Ob familienfreundliche Erlebnisse, Safer Spaces oder Panels, die sich mit der Förderung von Diversität in der Gaming-Industrie beschäftigen: Jede*r ist willkommen.

Die weltweit größte Messe für Videospiele eröffnet jedes Jahr im August für fünf Tage ihre Tore. In insgesamt elf Hallen können die Besucher*innen am Donnerstag und Freitag ab 10 Uhr und am Wochenende bereits ab 9 Uhr die über 1500 Stände erkunden. Mittwoch ist der Tag für Fachbesuchende. Ob entertainment area, event area oder retro & family area – für alle ist etwas dabei.

Der nächste Hit lässt nicht lange auf sich warten

Mehrere Menschen umringen interessiert den Hitster-Stand. Sie nicken und wippen im Takt der Musik. Ein Cut und schon spielt das nächste Lied. Das Musikratespiel, von dem es mittlerweile diverse Versionen gibt, kennt fast jeder. Halle 10 selbst wirkt wie ein einziges Hitster-Spiel – aus einer anderen Ecke ertönt bereits der nächste Song. Ein DJ spielt am ADAC-Stand den Song „Head & Heart (feat. MNEK)“ von Joel Corry und singt dabei mit. Zumindest wirkt es so, denn niemand würde ihn bei dieser Lautstärke hören.

Es geht weiter an der TikTok Streaming Area vorbei. Drumherum schlendern Menschen durch die Gänge, machen Fotos mit Cosplayer*innen und unterhalten sich auf English, Japanisch und Spanisch. Allein im letzten Jahr gab es 335.000 Besucher*innen aus rund 120 verschiedenen Ländern. Bei den 32.000 Fachbesuchenden gab es das stärkste Wachstum aus Nordamerika und Japan.

Die Rolltreppe fährt nach oben. Eine Schlange bildet sich, während Menschen parallel davon die Treppe herunterlaufen. Absperrband teilt den großen Flur in zwei Einbahnstraßen. Menschen drängen sich in entgegengesetzte Richtungen aneinander vorbei. „Es ist dieses Jahr wieder so abgesperrt, dass man gar nicht richtig durchkommt“, beschwert sich eine Person. Wiederum jemand anderes kommentiert „Meine Füße tun jetzt schon weh.“ Besucher*innen gehen durch das Absperrband zusätzliche Umwege, die auch ohne Band oft nicht ausbleiben.

Fotos: Nino Nicodemo

gamescom – eine bunte Mischung aus Sinneseindrücken

In Halle 9 versetzen diverse Bassboxen den Boden in Vibration. Leichter Schweißgeruch liegt in der Luft, der sich mit dem allgemein vorherrschenden Geruch aus warmem Gummi und neuer Technik vermischt. Das ist wohl der typische gamescom-Geruch, von dem erfahrene Messegänger*innen sprechen.

Menschen rempeln sich gegenseitig an und eine Frau wird von einem Besucher mit Handy in der Hand leicht zur Seite gedrängt, um ein Foto mit einer Cosplayerin zu machen. Hier ist spürbar mehr los als noch zuvor in Halle 10. Kein Wunder, denn hier sind bekannte Ausstellende wie Nintendo und The Pokémon Company. Der Ansturm ist also groß. Das spiegelt sich auch in den verkauften Tickets – die sind für Freitag bereits komplett ausverkauft. Schon im vorherigen Jahr setzte die gamescom neue Rekorde und erreichte so viele Menschen wie nie zuvor. Online verfolgten über 310 Millionen Menschen das Showprogramm und allein bei der Opening Night Live gab es über 40 Millionen Views – eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr.

Leichter Nebel. Dunkles Licht. Ein riesiges Setup bestehend aus unechtem Schilf, Sand und einer winkenden Schwammfigur – der Stand zu dem neuen Spiel „Titans of the Tide“. Daneben ertönen laute Geräusche. Bum-Clack. Bum-Clack. Ein Junge schlägt mit einem Hammer in der Hand auf eine Art Kugel im Boden und schon springt sie eine Skala hinauf, wie bei dem Jahrmarktsspiel „Hau den Lukas“. Auf der anderen Seite reflektieren die Glasfenster des gamescom studios das Licht der gegenüberliegenden Stände, sodass nur schwer erkennbar ist, wer in dem Glaskasten sitzt. Auf der gleichen Seite: sechs Menschen auf einem Feld mit Banden wie beim Eishockey. Anstelle von Schlägern halten sie Waffen in der Hand und VR-Brillen ersetzen Helme. Sie schleichen, gehen oder laufen geduckt über das Feld der battle arena, während sie sich in einem AR Shooterspiel duellieren.

Ein Highlight nach dem anderen

Plötzlich steht ein riesiges Schiff mit einer beigen Flagge, auf dem ein Totenschädel mit Hut prangt, mitten im Raum. Links davon betreten Menschen, die wie Piraten angezogen sind, das Schiff über eine Rampe. An der Seite des Schiffes sitzen Menschen entspannt auf einer kleinen Mauer und posieren neben einer Figur mit gelbem Strohhut, rotem Hemd und einer blauen kurzen Hose. Monkey D. Luffy von One Piece streckt seinen überaus langen Arm zur Seite aus, in den sich die Fans kuscheln, um ein Foto schießen zu lassen. Dahinter ist ein Becken mit Tausenden kleinen blauen Legosteinen, die das Licht der Scheinwerfer reflektieren. Es scheint, als wären die Messebesucher*innen tatsächlich auf großer Fahrt durch ein Meer.

Ein solches Highlight folgt nach dem anderen. Auch die nächste Menschenmenge lässt nicht lange auf sich warten. Ausgerechnet beim got2b-Stand bildet sich eine größere Menschentraube. Das ist verwunderlich. Allerdings auch nur für exakt zwei Sekunden, denn schon erscheint das Gesicht des bekannten Streamers Papaplatte, der für Fotos mit Fans posiert.

Aus der Halle getreten und endlich ein wenig frische Luft. Hinter Halle 8 tummeln sich Essensstände sowie ein paar verstreute Gaming-Attraktionen. „Und dann geht’s los, das erste Foto“, ruft eine Frau zu einem Paar vor einem riesigen Bildschirm. Auf dem ist ein animiertes lila-blaues Portal zu sehen. Oben auf dem Kreis ragt die Überschrift „World of Warcraft Midnight“. Genauso wie von diesem fiktiven Strudel werden Spielbegeisterte an den fünf Tagen der gamescom in die Welt von Cosplay, Gaming und Show-Acts in den Bann gezogen. Und wohl auch deshalb werden sie im nächsten Jahr wiederkommen.

Fotos: Nino Nicodemo