Messestand auf der gamescom voller Menschen, Lichter und Lärm. Engegefühl.
Foto: Marcel Randazzo

Kommentar: Die Unsichtbaren sichtbar machen für eine inklusive gamescom

Denkt man an Behinderungen, kommen einem sofort die sichtbaren in den Sinn: Ein Mensch im Rollstuhl oder eine Person mit Blindenstock. Doch viele Menschen haben sogenannte unsichtbare Behinderungen oder spezielle Bedürfnisse, die nicht auf dem ersten Blick zu erkennen sind. Gerade diese Menschen brauchen mehr Aufmerksamkeit und Hilfen – auch auf Gamingmessen.  

Unsichtbare Behinderungen – Unsichtbare Barrieren   

Menschen mit ADHS, Autismus, Obssessive Compulsive Disorder (OCD), aber auch Personen mit einer Gehbeeinträchtigung, chronischen Erkrankungen oder unauffälligen Assistenzhilfen sind ebenfalls leidenschaftliche Gamer*innen und freuen sich auf die gamescom. Doch gerade für sie kann die laute, bunte Messe mit ihren vielen Reizen besonders anstrengend sein und Hindernisse bereithalten. Sie können beispielsweise nicht lange in Schlangen stehen, haben Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden, oder brauchen zwischendrin Pausen- und Ruheräume.   

Leider werden Menschen mit unsichtbaren Behinderungen jedoch oft übersehen. Während für Menschen im Rollstuhl oder mit einem Blindenstock Platz gemacht wird, müssen sich Menschen mit unsichtbaren Behinderungen oft durch Besucher*innenmassen drängen und bekommen dafür teils unhöfliche Kommentare und böse Blicke zugeworfen. Das kann für zusätzlichen Stress sorgen, insbesondere wenn man schon nahe einer Panikattacke ist oder das Awareness Team sucht.  

Viele dieser Menschen haben zudem Schwierigkeiten zu kommunizieren, insbesondere, wenn Eindrücke sie überwältigen. Der hohe Lautstärkepegel in den Hallen sorgt dabei für eine zusätzliche Barriere und macht es schwer, andere Menschen um Hilfe oder Verständnis zu bitten. Umso wichtiger ist es daher, dass Menschen mit unsichtbaren Behinderungen oder Neurodivergente aktiv angesprochen werden – und dass, wenn sie um Hilfe bitten, nicht mit ironischem Lächeln und einem „Aber das ist doch für alle so“ abgewimmelt werden.  

Hilfsbedürftige stoßen oft auf Unverständnis   

Gerade an den Ständen muss sich einiges tun. Während für Menschen mit sichtbaren Behinderungen die Messestände und Wege so barrierearm wie möglich gestaltet werden, fehlt es an Initiativen vor allem für neurodivergente Menschen. Menschen mit ADHS haben oftmals eine genetisch veranlagte Impulskontrollschwierigkeit und ein anderes Zeitgefühl. Dadurch wird das Warten in den Schlangen zur Herausforderung. Den Bitten, diese Menschen vorzulassen, wird oft mit der Frage nach einem Ausweis oder Zertifikat begegnet. Nicht immer ist ein offizielles Papier vorhanden, weil nicht alle psychischen Erkrankungen als Behinderungen erfasst werden. Ihnen wird dann vorgeworfen, sich vordrängen zu wollen oder das System ausnutzen. Ihre Probleme sind unsichtbar, doch real.  

Einheitliche Regeln, statt nur Empfehlungen  

Abgewiesen zu werden, weil das Bewusstsein für ihre alltägliche Realität fehlt, tut Menschen mit unsichtbaren Behinderungen oder neurodivergenten Menschen weh. Für viele, die sich auf die gamescom freuen, können solche Erfahrungen traumatisch sein oder sogar dazu führen, dass sie nicht wiederkommen – schlichtweg, weil die Schwierigkeiten nicht bewältigbar sind. Dabei ist gerade das Gaming eine große Leidenschaft von Menschen mit Autismus, ADHS, OCD, Hörbeeinträchtigungen oder Gehschwierigkeiten. Der Grund: Spiele in ihrer Diversität bauen zahlreiche Barrieren ab und bieten einer Vielzahl von Menschen Unterhaltung und Freiräume – Orte, die ihnen im Alltag nicht immer zugänglich sind.  

Gerade deswegen braucht es mehr Sensibilität und Aufmerksamkeit für das Thema, damit allen die Möglichkeit gegeben wird, auf der gamescom ihrem Hobby nachzukommen und mit anderen Menschen in den Austausch zu kommen – möglichst stressfrei und mit Wohlfühlfaktor. Vor allem braucht es Initiative, Aufklärung und Anlaufstellen, sowie einheitlichen Vorgaben für Messestände. Zugänglichkeitsoptionen für Menschen mit speziellen Bedürfnissen und nicht-sichtbaren Behinderungen dürfen nicht unter Empfehlungen fallen, sondern müssen verpflichtend werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Menschen mit der gamescom ein gutes Erlebnis verbinden.