Interview mit einer Cosplayerin.
Foto: Nino Nicodemo

Sexistische Realität: Cosplayer*innen vs. Male Gaze

Bunte Perücken, fantasievolle Accessoires, selbstgenähte Kostüme – Cosplayer*innen sind auch dieses Jahr auf der gamescom nicht zu übersehen. Auf den ersten Blick sind es Lieblingsfiguren aus Gaming, Comic, Anime und Co. Doch hinter der harmonischen Fassade steckt oft eine weibliche Realität aus Sexismus und Anfeindungen. 

Cosplay scheint das bloße Verkleiden als fiktive Figuren zu sein. Das Konzept hat aber mehr zu bieten als nur ein Outfit copy and paste. Cosplayer*innen übernehmen neben der Kleidung auch die Mimik, Gestik und Charaktereigenschaften der Figuren und erwecken sie zum Leben.  

Die Arbeit und Mühen der Cosplayer*innen, eine Figur so originalgetreu wie möglich darzustellen, werden mit Begeisterung in der Community aufgenommen. Für Fans wirkt es wie ein Meet-and-Greet mit dem Charakter. Die daraus resultierenden Gefühle von Freude und Euphorie können für Cosplayer*innen jedoch auch einen bitteren Nachgeschmack haben. Nach einer Umfrage von Asselin (2015) über sexuelle Übergriffe auf Anime- und Comic Cons berichten 25 Prozent der befragten Cosplayer*innen, dass sie übergriffiges Verhalten erlebt hätten. Auf der Dokomi – der Düsseldorfer Anime-Messe – soll es laut einigen Social-Media-Beiträgen sogar zu Gewalttaten gekommen sein. Wie viele Menschen davon tatsächlich betroffen sind, bleibt jedoch unbekannt. Viele melden Belästigungen nicht direkt. Entsprechend dürfte die Dunkelziffer weit über den offiziellen Zahlen liegen. 

Angriff im Safe Space 

Selbst in vermeintlichen Safe Spaces treten vermehrt Übergriffe auf. Das cosplay village der gamescom erschafft für die Cosplayer*innen einen Ort rund um die Thematik des Cosplays. Von Reihen an Kostümbedarf bis hin zum Cosplay Contest – dem Highlight für viele Cosplayer*innen und Fans – bietet die Cosplay Area eine große Vielfalt von Angeboten. Im Cosplay Repair Shop können Cosplayer*innen sogar ihre Kostüme von Schaden befreien.  

Doch auch hier sei übergriffiges Verhalten keine Seltenheit. “Ein unangenehmes Gefühl ist da. Es gibt Blicke, Kommentare und Berührungen beim Fotografieren. Solche kleineren Sachen passieren öfter als größere”, so Lexi aus dem Team des Repair Shops. Sie kennt den Sexismus in der Cosplay-Branche und bietet den Cosplayer*innen auch die nötige Hilfe an. “Wir callen die Leute direkt aus. Wir gehen aktiv auf die Täter zu oder wir bringen sie zur Security. Wir sorgen dafür, dass sich die Leute safe fühlen.” 

Das Verhalten gegenüber Cosplayer*innen entstehe durch die Kontrolle von Charakteren in Games. Laut einer wissenschaftlichen Untersuchung1 entwickele sich durch diese Kontrolle ein Ungleichgewicht der Dominanz zwischen Spieler*in und Figur*in. Werden Cosplay-Charaktere zum Leben erweckt, wandere dieses Ungleichgewicht autonom von der virtuellen Welt in die Realität. Dominanz, Macht und Kontrolle über die Figur solle wieder in den Besitz der Spieler*innen gelangen. Die humanitäre Seite der Cosplayer*innen und die Figur aus der fiktiven Welt vermischen sich. Die Kontrolle entsteht durch das Design der Figuren. Programmiert würden sie aktiv als… 

…charmant, hübsch, perfekt für den Male Gaze 

Gemäß wissenschaftlichen Akteuren2 könne hinter der Kreation von weiblichen Figuren das sogenannte Male Gaze stecken. Um männlich gelesene Personen als Zielgruppe anzusprechen, würden weibliche Figuren als Objekte männlicher Begierde gestaltet. Knappe Kleidung sei dafür das Go-to für die Spieleentwickler*innen.   

Die Figuren würden bewusst so programmiert, dass sie eine Fantasie erfüllen. Solche Spiele bewiesen sich nicht nur als Verkaufsschlager, sondern bekräftigten auch die Objektifizierung weiblich gelesener Personen in der Realität. Außerdem stiege die Wahrscheinlichkeit von sexualisierter Gewalt signifikant. “Ich hatte auch schon Situation, wo mir auf die Brüste gefasst wurde”, so Cosplayerin Steamfaun. Ausschlaggebend sei für diesen Übergriff der BH als Teil ihres Kostüms gewesen.  

Schutzschild der gamescom  

Um dieser Art sexualisierter Übergriffe entgegenzuwirken, hat die Anime- und Comic-Convention-Community im Jahre 2013 die Bewegung “Cosplay is Not Consent” ins Leben gerufen. Die Aktion will Passanten motivieren und sensibilisieren, gesehene Übergriffe zu melden, um für ein friedliches Zusammensein der Fangemeinschaft zu sorgen. 

Aber auch die Conventions und Messen selbst ergreifen Maßnahmen. Bei der gamescom befindet sich extra ein Awareness-Team vor Ort, das laut eines Mitglieds für solche Situationen geschult worden sei und dessen Mitglieder meist einen pädagogischen und psychologischen Hintergrund hätten. Das Team solle sich aber nicht aktiv einmischen und stattdessen auf die Security verweisen. Diese stellen betroffenen Personen geschützte Räume zur Verfügung. Über QR-Codes auf den Safer-Space-Plakaten lässt sich übergriffiges Verhalten direkt per Telefon und per Mail melden. 

  1. Cosplay in the perspective of rape culture. Context, origins and conditions | Journal of Gender and Power ↩︎
  2. Marginalization within Nerd Culture: Racism and
    Sexism within Cosplay
    ↩︎