In der verrückten Welt von ‚Media Circus‘ können Tiere Reporter*innen sein und die Spielenden in der Rolle eines Eichhörnchens selbst entscheiden, welche Nachrichten die Lesenden erreichen. Aber was hat Demokratie mit dem Ganzen zu tun?
„Ich denke, jeder im Jahre 2025 hat ein Verständnis davon, wie verrückt Nachrichten sein können“, erzählt Darren Lê von Papercoda Games. Für ihren aktuellen Titel haben er und das Team des Indie-Studios die Nachrichtenwelt deshalb noch ein Tacken absurder gemacht: „Was ist, wenn man diese verrückten Nachrichten einfach selbst gestaltet?“ Geboren war die Idee für Media Circus – ein Simulator, in dem die Spielenden als Eichhörnchen eine eigene Zeitungs-Redaktion leiten. Hinter der niedlich-skurrilen Fassade hat Media Circus allerdings auch einen ernsten Anspruch. So soll das Spiel verständlich machen, wie moderne Medien unsere Sicht auf die Welt beeinflussen.
Doch zunächst zum Setting: Bei Media Circus entscheidet die spielende Person selbst, welche Art von Nachrichten in ihrer Zeitung ‘The Nutshell‘ abgedruckt werden. Anfangs ist noch nicht viel zu tun – die/der Spielende*r entscheidet über die Größe des Artikels und den Titel. Nach und nach kommt immer mehr Verantwortung dazu. Der/die Player*in stellt Reporter*innen ein und entscheidet, wie viel Text oder Werbung verwendet wird. Damit verdient die Zeitung Geld, das wiederum dazu dient, sie am Leben zu erhalten. Auch die politische Ausrichtung können die Spielenden teilweise durch entweder liberale oder konservative Texte beeinflussen. Statistiken bieten eine Übersicht, welche Texte die Abonnent*innen der Zeitung lesen würden.
Tiere als Reporter*innen?!
Eine Besonderheit des Spieles sind die Figuren, die die Artikel verfassen sollen. Mal ist es eine Maus in einem gelben Kostüm, dann wiederum eine Taube mit Hut und Halstuch. Die Redaktion vertritt das bereits erwähnte Eichhörnchen. Das teilweise trockene Thema Nachrichten oder Politik bekommt damit etwas humorvolles. Inspiration für das Spiel seien laut Lê die US-amerikanische Serie BoJack Horseman oder das Spiel Animal Farm.
Den Verlauf des Spieles entscheidet die spielende Person selbst. Entweder fokussiert sie sich auf die Veröffentlichung von Texten mit möglichst viel Clickbait oder präsentiert sich als Teil einer seriösen Zeitung mit investigativen Inhalten. „Wir möchten Menschen begreiflich machen, welche Faktoren die eigene Auswahl beeinflussen“, erklärt Lê. „Man hat die Macht seine Lesenden zu beeinflussen und übernimmt somit auch Verantwortung dafür, was überhaupt gelesen und verbreitet wird.“
Das Erscheinungsdatum für das Spiel steht noch nicht fest. Besucher*innen der gamescom können deshalb nur den Prototyp testen, denn das fertige Spiel kann erst erstellt werden, wenn Investoren gefunden wurden. Zwar wurde das Spiel auf vielen Conventions bereits in hohen Tönen gelobt. Trotzdem bleibt die Sorge, dass mit einer solchen Art von Spiel die breite Masse nicht angesprochen wird.
Wie Games demokratisches Bewusstsein stärken können
Wenn es nach der Bundeszentrale für politische Bildung geht, scheint diese Sorge unbegründet, denn das Spiel ist Teil von ihrem Stand „Games for Democracy“. Neben Media Circus werden in der Indie Arena Booth in Halle 10.2 vier weitere Demokratiespiele präsentiert: Compensation Not Guaranteed, Glasshouse, Media Circus, The Darkest Files und Take Us North. Im Vorhinein hatte eine kleine Jury aus Entwickler*innen der Indie Arena Booth eine Vorauswahl auf Basis von 30 Einreichungen getroffen.
Den Stand gibt es dieses Jahr zum ersten Mal. Allerdings ist die Idee, demokratisches Bewusstsein mit Hilfe von Spielen zu stärken und politische Themen zu vermitteln, schon länger da. Bereits in den frühen 80er Jahren hat die Bundeszentrale für politische Bildung Spiele mit Jugendgruppen getestet und diese medienpädagogisch rezensiert. Heute werden für das Online-Projekt „Games zur politischen Bildung“ sogenannte Serious Games, aber auch Unterhaltungsspiele getestet, die politische Bildung aufgreifen und versuchen einzuordnen. „Da haben wir eine Übersicht von 50 Spielen, die kuratiert ist. Wenn neue Spiele erscheinen, schauen wir uns genau an: kann man damit politische Bildung machen? Worauf muss man achten? Für welche Zielgruppe eignet sich das?“, erklärt Matthias Engel von der bpb.
Die Themen reichen von Umwelt und Gesellschaft bis hin zu Geschichte. Es gibt viele Spiele, die sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen, also auch sehr ernste Themen. Ein Beispiel hierfür ist The Darkest Files von dem Entwickler Paintbucket Games. Dort geht es darum, Nazi-Verbrecher in der Nachkriegszeit dingfest zu machen, die teilweise untergetaucht sind. Engel sagt abschließend: „Wir finden, dass Spiele sowas auch auf eine sehr ernste Weise, die trotzdem fesselnd sein kann und Spaß macht, aufgreifen können. Deswegen sind wir heute hier.“