Momentaufnahme kurz vor Gamescom Einlass am Messe-Donnerstag
Foto: Marcel Randazzo

Die Zahlen steigen – das Erlebnis lässt zu wünschen übrig

Ein Kommentar von Nino Nicodemo

Die Menschenmassen stürmen die Hallen der Koelnmesse. Dieses Jahr ist die Gamescom mit über 1.300 Ausstellern wie jedes Jahr mit Ausnahme der zwei Corona-Ausfälle 2020 und 2021 noch immer die weltweit größte Messe für die Gaming Szene.

Während Politik, Geschäftsführer und CEOs den Erfolg, das stetige Wachstum der Messe und die hohen Umsatzzahlen aus der Branche feiern, lässt die Messe-Experience immer mehr zu wünschen übrig.

Früher war alles besser

Wenn ich mich an meine ersten Besuche auf der Gamescom zurück erinnere, ist das Erste, was mir in den Kopf kommt, nicht eine riesige Menschenmenge, die von einer Armee von Security Personal mit Megafon durch die Hallen navigiert wird.

Vielmehr denke ich zurück an ein episches, emotionsgeladenes Erlebnis. Studios aller Art, die sich Mühe gaben und tief in die Tasche griffen, um der Community ein einmaliges Erlebnis zu ermöglichen. Von den großen Playern fehlte keiner.

Genutzt wurde die Messe, um Trailer auf großen Bildschirmen zu präsentieren, Cosplay wurde mit riesigen Wettbewerben gewürdigt und gefeiert. Vor allem aber präsentierten die Studios ihre nächsten Titel mit spielbaren Demos. Auch Communites – kleine wie große – trafen sich hier und flößten der Messe nochmal mehr Besonderheit ein.

Der Besuch der Messe hatte seine eigene Emotion für mich, es ging um das Erlebnis – das man geboten bekam. Und die Menschen sind respektvoll miteinander umgegangen!

Wie sieht es heute aus?

Wer heute auf die Gamescom geht, muss nicht nur mit riesigen Menschenmassen und stundenlangen Wartezeiten am Eingang und zum Anspielen von neuen Titeln rechnen. Vieles ist nicht mehr, was es mal war.

Während Netflix sich mit großem Squid Game-Stand breitmacht und Rewe, Aldi & Co. sich präsentieren, um kläglich IT-Fachkräfte abzuwerben, springen immer mehr Studios ganz ab oder sind unregelmäßig vertreten. Activision Blizzard, PUBG-Studios beziehungsweise Krafton, um nur zwei Beispiele für Studios zu nennen, haben dieses Jahr keinen eigenen Stand.

Wegen des technischen Fortschritts explodiert die Indie Area beinahe vor neuen Titeln. Trotzdem kann man diese zumindest anspielen, während einige der großen Studios wie Microsoft Gaming es beim Xbox-Stand scheinbar für besser halten, die Menschen stundenlang in der Schlange stehen zu lassen, um sich ein kurzes Video ansehen zu können – ein Getränk des Partners yFood gibt’s immerhin gratis dazu.

Microsoft – das Gaming Monopol?

Insgesamt wirkt der riesige Xbox-Stand von Microsoft, die planen Activision Blizzard für knapp 70 Milliarden US-Dollar zu kaufen, wie eine möglichst komprimierte Massenansammlung von zusammenhangslosen Titeln. Es wird keine Emotion geweckt – an den Wänden der knallgrünen Boxen nur ein Bild des Spiels, für welches man sich stundenlang in eine Schlange stellen soll.

Es scheint, als habe Microsoft selbst keine emotionale Bindung zu seinen Titeln, die Masse zählt – je mehr Titel desto mehr Umsatz.

Alles für die Community den Content

Große internationale Streamer:innen lockt die Gamescom auch nicht mehr wirklich an. Fans der deutschen Content Creator dürfen sich zur abseits gelegenen Halle 1 in die „Social Area“ begeben, um sich inmitten von Massen ebenfalls mehrere Stunden Schulter an Schulter aufzudrängeln für ein Autogramm, ein Foto oder eine WhatsApp-Audio von oder mit ihrem Idol.

Alternativ besteht die Möglichkeit sich im Außenbereich vor den Redbull Creator Club meist genauso viele Stunden hinzustellen, um bloß nicht den Moment zu verpassen, in dem eine der Berühmtheiten aus dem Fenster blickt oder sogar den abgesperrten Außenbereich betritt. Die Youtuber:innen und Streamer:innen streamen das Geschehen in der Regel auf der Plattform ihres Vertrauens, die Highlights landen auf den YouTube-Kanälen. Jede Menge Wartezeit für die Fans, während die Creator:innen sich in der VIP-Lounge von den Massen abschirmen – wirklich eine Win-Win-Situation?