Ein Kommentar von Steven Schöpper
Liebe Community,
auch dieses Jahr findet wieder die Gamescom, die größte Spielemesse der Welt, statt. Als leidenschaftlicher Zocker und Besucher der Gamescom freue ich mich fast jedes Jahr darauf, die Messe zu besuchen und mir die Neuerscheinungen anzuschauen und anzuspielen. Nicht zuletzt, weil viele der über die Jahre hinweg vorgestellten Spiele heute wahre Legenden sind. Ich finde aber auch, dass uns die Gamescom einen Anlass bietet gibt, um über die Entwicklung der Game-Industrie zu sprechen.
Das “Free-to-Play” Problem
Während es früher normal war, ein Single- oder Multiplayergame zum Vollpreis zu ergattern, wurde in den letzten Jahren eine ganz andere Richtung eingeschlagen. Der Markt wird überflutet mit Spielen, die ein “Free-to-Play”-Erlebnis versprechen. Mit Season-Pässen, Premium-Accounts und In-Game-Shops holen sich Entwickler ihr investiertes Geld wieder rein – so weit, so legitim. Beispiele hierfür sind Genshin Impact, Fortnite, World of Warships oder Overwatch 2. Aus diesem “Free-to-Play” wird dann aber schnell ein “Pay-to-Win”. Und da wird es problematisch: Wenn Investitionen in das Spiel unfaire Vorteile bringen, rückt Können in den Hintergrund.
Season Pass trotz Vollpreis
Der schlimmere Aspekt aber ist, dass jetzt sogar Publisher von Vollpreistiteln versuchen, mit diesen Methoden noch mehr Geld zu machen. Nachdem es schon vor Jahren Season-Pässe gab, die DLCs und andere Erweiterungen für das Spiel freischalteten, gibt es heute Pässe unter gleichem Namen, die den Begriff “Season” aber noch viel strenger nehmen. Jetzt kommen mindestens alle paar Monate neue Pässe raus, für die man wieder Geld ausgeben soll. Diese bieten neben Contenterweiterungen, welche man sich aber häufig noch selbst erspielen muss, auch Skins, In-Game-Items und andere kleine Erweiterungen. Beispiele für dieses Konzept sind Call of Duty (seit Modern Warfare 2019), Fallout 76 oder Halo Infinite. Eine aus Marketingsicht gute Methode, um Spieler:innen an das Spiel zu binden.
Außerdem gibt es noch ein anderes Problem in der Industrie: unfertige und verbuggte Games. Egal ob Fallout 76, Cyberpunk 2077, Battlefield 2042 oder auch No Mans Sky – all diese Spiele haben eines gemeinsam: Sie waren zum Start absolut unfertig und wurden viel zu früh auf den Markt geworfen. Es geht hierbei auch nicht um kleine Probleme oder Grafikfehler, sondern um die schiere Anzahl an Fehlern, die das Spiel quasi unspielbar macht.
Wie Entwickler:innen damit umgehen, lässt sich in zwei Kategorien einteilen: Entweder bieten die Entwickler:innen halbherzigen Support und die Spiele befinden sich heute noch in einem teilweise fragwürdigen Zustand. Oder die Entwickler: innen kümmern sich um das Spiel und schaffen es, ihr Spiel nach einem misslungenen Start zu einem guten Erlebnis weiterzuentwickeln.
Gewinn über Qualität
Der Grund für misslungene Starts von Games ist leicht zu erklären: sehr strenge Deadlines. Mit Crunch, also vielen Überstunden, um das Spiel rechtzeitig fertig zu haben, werden die Entwickler:innen bis ans äußerste gebracht. Das Budget wird für das Marketing ausgegeben, um Vorbestellungen anzukurbeln. Dadurch kriegen die Macher:innen häufig einfach die Ressourcen nicht, die sie brauchen, um das Spiel ordentlich zum Veröffentlichungstermin fertigzustellen.
Diese Probleme kennt die Branche nicht erst seit heute. Auch Skandale wie bei Ubisoft oder bei Blizzard werfen ein unschönes Licht auf das Arbeitsverhältnis. Alles in allem eine negative Entwicklung, die auch in der Community nicht unbemerkt bleibt. Unternehmen wie Microsoft/X-Box versuchen gerade, ein Monopol in der Branche aufzubauen. Microsoft kaufte mehrere große Studios auf, darunter Bethesda und Activision-Blizzard. Diese Studios stehen schon seit längerem in der Kritik, sich zum Negativen entwickelt zu haben und sich mehr für den Gewinn als für ein gutes Spiel zu interessieren. Auch wenn es kein Verbrechen ist, Gewinn mit seinem Produkt zu machen und es auch weit mehr Beispiele auf dem Markt gibt – besonders dieses Aufkaufen großer Studios durch Firmen wie Microsoft ist etwas, was der Gaming-Industrie auf lange Sicht schaden kann.
Lichtblicke
Ich finde es daher umso wichtiger, Studios zu unterstützen, die zeigen, dass es auch anders geht. Studios wie hello games zeigen mit No Mans Sky, dass die Leidenschaft für das Entwickeln von Spielen noch nicht gänzlich bei allen verloren ist. Trotz eines miserablen Starts hat es hello games geschafft, ihr Spiel zu einem echten Blockbuster zu machen. Mit Free-Content-Updates und Support, der sich wirklich um die Probleme des Spiels kümmert, haben sie gezeigt, wie es richtig geht. Ein anderes Beispiel kam erst diesen Monat für PC und im September für Playstation auf den Markt: Baldurs Gate 3 vom Entwickler Larian Studios. Mit so vielen negativen Beispielen scheint es mir umso wichtiger, sich die positiven Beispiele vor Augen zu führen und diese auch zu unterstützen.
Wenn wir als Community weiterhin gute Spiele zu guten Verkäufen verhelfen und uns nicht zu voreiligen Vorbestellungen hinreißen lassen, können wir den Studios und Entwicklern: innen gemeinsam zeigen, wie wir uns die Entwicklung der Branche wünschen. Wir als Community haben die Macht, die Entwickler:innen dazu zu bringen, uns die Spiele zu geben, die wir auch noch in Zukunft gerne spielen. Es ist aber auch unsere Pflicht. Denn solange die Entwickler:innen noch Geld mit halbherzigen Spielen machen, werden sie diese auch weiterhin veröffentlichen.
Trotzdem freue ich mich auch dieses Jahr wieder auf die Neuveröffentlichungen und bin auf die Release gespannt. Ich werde mir aber in Zukunft zweimal überlegen, ob ich ein Spiel vorbestelle und welche Firmen ich dabei unterstütze. Doch gemeinsam sind wir stark und gemeinsam können wir die Gaming-Industrie vor Leuten schützen, welche sich nicht für Games, sondern nur für Geld interessieren.