Barrierefreies Gaming: So zocken Menschen mit Behinderung

Rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen lebten laut statistischen Bundesamt 2021 in Deutschland. Kein Wunder also, dass der Begriff Barrierefreiheit in aller Munde ist. Das Thema umfasst alle Bereiche – und auch in der Spieleindustrie wächst das Bewusstsein für inklusives Gaming. Doch wie barrierefrei sind Videospiele in 2022 tatsächlich?

Die kurze Antwort zuerst: Es gibt noch viel zu tun. Die lange Antwort ist naturgemäß etwas komplexer, denn die Möglichkeiten für barrierefreies Spielen unterscheiden sich je nach Plattform, Spiel und Art der Einschränkung. „Wir unterscheiden zwischen vier Arten von Barrieren: Hören, Sehen, Verstehen und Steuern“, erklärt Karolina Albrich von „Gaming ohne Grenzen“. Das Projekt beschäftigt sich mit allen Aspekten rund um barrierefreies Gaming.

Um die individuellen Barrieren zu überwinden, sind Betroffene von unterschiedlichen externen Faktoren abhängig. So sind Menschen mit Sehbehinderungen darauf angewiesen, dass die Spieleentwickler:innen Einstellungsmöglichkeiten für Schriftgröße oder Farbenblindheit zur Verfügung stellen. Auch für Menschen mit kognitiven Einschränkungen muss das Spiel selbst geeignet sein – beispielsweise durch interaktive Tutorials oder unterschiedliche Schwierigkeitsstufen. All das ist laut „Gaming ohne Grenzen“ noch lange nicht der Standard bei neuen Spielen.

Auf die Plattform kommt es an

Je nach Art der Barriere sind Spielende allerdings auch auf entsprechend geeignete Hardware angewiesen: Während Gehörlose zum Beispiel Geräte nutzen, die Audiosignale in Vibrationen umwandeln, benötigen Andere passende Controller. „Die speziellen Controller können bei einer kognitiven Behinderung helfen, weil sie einfach weniger Buttons haben. Aber sie helfen vor allem Menschen mit einer motorischen Einschränkung“, erklärt Albrich.

Die Anschaffung dieser Controller ist jedoch weder einfach noch kostengünstig. Während der „XBOX One Adaptive Controller“ für stolze 80-100€ über die Ladentheke geht, wird das adaptive Pendant für die Nintendo Switch erst gar nicht in Europa vertrieben. Hier müssen sich Betroffene das Gerät aus den USA importieren lassen – inklusive hoher Versandkosten und Zollabgaben.

Bei Sony liegen die Probleme laut Albrich hingegen woanders: „Für die Playstation gibt es wenig adaptive Technologien, dafür macht Sony auf Software-Ebene viel.“ So seien „The Last of Us 1“ & „The Last of Us 2“ durch ihr leicht erreichbares Menü für Barrierefreiheit und die zahlreichen Einstellungen darin Vorreiter unter den Triple-A-Titeln. Einen eigenen adaptiven Controller für die Playstation gibt es dennoch nicht. „Ich verstehe aber wirklich nicht, warum Sony es dann nicht wenigstens erlaubt, dass man einen anderen barrierefreien Controller anschließen kann“, so Albrich.

Der Weg ist lang

Und auch auf der Gamescom ist barrierefreies Gaming längst noch nicht an allen Ständen angekommen. Viele Ausstellende haben weder adaptive Controller vor Ort, noch ihre Spiele behindertengerecht gestaltet. Positiv fällt hier der XBOX-Stand auf, der in diesem Jahr komplett barrierefrei ist. Nachfragen bei Presseterminen unserer Redaktion haben ebenfalls gezeigt, dass viele der vorgestellten Spiele keine Accessibility-Features haben. Der Weg zur leichten Teilhabe im Gaming ist also noch lang – auf der Gamescom wie auch Zuhause.